Im vierten Teil unserer Serie zu den Fahrerassistenzsystemen erklären wir, warum man bei Fahrassistenzsystemen wie z.B. ACC, Distronic oder Spurwechselassistenten den Radar und beim Spurhalteassistenten die Kamera kalibrieren muss?
Diese Systeme sind doch fest im Auto verbaut, warum sollte sich hier etwas verstellen?
Um leichter zu verstehen, warum das so ist, schauen wir uns mal ein Fahrwerk an.
Die Fahrzeuglängsmittelebene
Schneidet man ein Auto direkt in der Mitte von Vorder- und Hinterachse auseinander, ergibt sich eine Schnittfläche, welche man als Fahrzeuglängsmittelebene bezeichnet. ACHTUNG: Nicht die Mitte der Karosserie, sondern der Achsen ist ausschlaggebend. Es kann ja sein, dass die Karosserie nicht mittig auf den Achsen sitzt.
Spur
Die Spur eines Fahrwerks gibt an, ob die Räder vorne zusammen (Vorspur – positive Spur) oder vorne auseinander stehen (Nachspur – negative Spur). Die Spur gibt es sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse. In folgendem Bild sieht man die Spur bei neutraler Spur – also 100% parallelstehenden Rädern. Dies gibt es in der Realität aber eigentlich selten.
Geometrische Fahrachse
Die geometrische Fahrachse ist die entscheidende Messgröße für die Fahrerassistenzsysteme. Das liegt daran, weil die geometrische Fahrachse die Fahrtrichtung des Autos bestimmt. Jedes Fahrzeug fährt also in die Richtung, die durch die Hinterachse vorgeben ist. Bei der geometrischen Fahrachse handelt es sich um die Winkelhalbierende der Spurwerte an der Hinterachse.
Sind die Spurwerte hinten neutral, so ist die geometrische Fahrachse mit der Fahrzeuglängsmittelebene deckungsgleich.
Bedeutung der geometrischen Fahrachse für Radar und Kamera
Radarsensoren und Kamera müssen genau in die Richtung „schauen“, in die das Auto tatsächlich fährt. Also sind die Sensoren an der geometrischen Fahrachse ausgerichtet!
Und so sieht das auf der Straße aus!
Soweit alles gut. Kommt es aber an der Hinterachse aufgrund eines Anstoßes am Randstein, einem defekten Fahrwerksbauteil oder Veränderungen am Fahrwerk (Tieferlegung, Erneuerung von Fahrwerksteilen) zur Änderung der Spurwerte, ändert sich auch die geometrische Fahrachse.
Geometrische Fahrachse nicht mit Fahrzeuglängsmittelebene deckungsgleich
Hier im Bild ist die Spur an der Hinterachse verstellt. Zum bessseren Verständnis sogar ziemlich stark.
Dadurch ist die winkelhalbierende der hinteren Spurwerte – die geometrische Fahrachse – nicht mehr deckungsgleich mit der Fahrzeuglängsmittelebene.
Dies führt dazu, dass das Heck des Fahrzeuges nach rechts fährt und das Fahrzeug somit vorne nach links fährt. Vergleichbar mit einem Stapler, der an der Hinterachse nach rechts lenkt aber nach links fährt.
Die ganz normale Reaktion ist, dass man das Lenkrad etwas nach rechts dreht und somit wieder in die gewünschte Richtung fährt. Dies ist dann der Fall, wenn die geometrische Fahrachse der Hinterräder (rot) parallel zu den Spurwerten der Vorderachse liegt. Das Fahrzeug fährt dann im sogenannten „Dackellauf„.
Das ist soweit auch kein Problem, weil kein Auto 100%-ig gerade fährt. Zum Problem wird es aber, sobald Fahrerassistenzsysteme an Bord sind. Wie oben erwähnt, müssen die Sensoren der Assistenzsysteme an die geometrischen Fahrachse angepasst werden. War das vorher auch noch der Fall, so liegt die geometrische Fahrachse aufgrund der Spurverstellung jetzt wo anders. Dies bedeutet, dass die Sensoren jetzt nicht mehr den kompletten Bereich vor dem Fahrzeug überwachen können. Ein Unfall kann die Folge sein.
Darum müssen die Sensoren kalibriert werden!
Die Sensoren müssen also wieder auf die geometrische Fahrachse angepasst werden, damit der Bereich vor dem Fahrzeug genau überwacht werden kann. Natürlich muss zuerst der Fehler am Fahrwerk behoben werden. Da Fahrwerke und Assistenzsysteme in Winkelgrad und Winkelminuten eingestellt werden, hilft es nicht, das Fahrwerk grob einzustellen. Die Achsen müssen neu vermessen werden und die Assistenzsysteme neu kalibriert werden.
Wann müssen Radar und Kamera auch noch eingestellt werden?
An diesem Beispiel haben wir gesehen, was passiert, wenn sich die geometrische Fahrachse verstellt. Genauso ist aber auch eine Justage nötig, sobald ein Sensor aus-/eingebaut wurde bzw. Bauteile an denen die Sensoren befestigt sind, erneuert oder gelöst wurden. Hier eine Übersicht mit den Gründen für eine Justage.
Der Frontradar - Sensor muss justiert werden, |
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nach Erneuerung oder Aus-/Einbau des Radarsensors (da diese manchmal an der Stoßstange montiert sind, sobald diese demontiert wurde) |
wenn der Schlossträger für Servicearbeiten in die Servicestellung gebracht wurde |
wenn eine Unfallinstandsetzung durchgeführt wurde |
nach einer Änderung des Fahrzeugniveaus an der Vorder- oder Hinterachse (Tieferlegung - Erneuerung von Fahrwerksfedern) |
nach Änderung von Spur und / oder Sturz an der Hinterachse - also durch Bordsteinkontakt oder bei einer Achsvermessung |
wenn das Steuergerät erneuert wurde |
Keine Fehlermeldung vom Fahrzeug, wenn Systeme falsch eingestellt sind
Das Fatale an der ganzen Geschichte ist, dass sich die Systeme nicht selber überwachen können. Es ist ja keine Kamera da, welche schaut ob der Radar oder die Frontkamera auf die geometrische Fahrachse kalibriert sind und da die Hindernisse auf der Straße auch unterschiedlich sind, kann sich das System auch nicht von alleine kalibrieren.
Was passiert wenn das System nicht justiert wird?
Kamera und Radar können das Fahrzeugumfeld nicht richtig erfassen. Die Spur wird nicht richtig gehalten, Hindernisse werden spät erkannt und das System arbeitet unbefriedigend. Aber in diesen Fällen kann der Fahrer ja immer noch reagieren. Gefährlich wird es aber spätestens dann, sobald intelligente Scheinwerfersysteme verbaut sind. Bei diesen Systemen fährt man immer mit Fernlicht. Die Frontkamera erkennt vorausfahrende bzw. entgegenkommende Autos und blendet nur diese Fahrzeuge aus dem Fernlicht aus. Links und rechts davon ist immer noch das grelle Fernlicht. Ist die Kamera nicht richtig justiert, vermutet diese die anderen Verkehrsteilnehmer an einer anderen Position und blendet diese mit voller Lichtleistung. Wenn man dann bedenkt, dass so ein Fernlicht schon mal 250 m nach vorne leuchtet und man bei 100 km/h ca 27m zurücklegt ist man knappe 10 Sekunden im Blindflug. Ob das gut ausgeht?
Nachweis der Justage nötig
Um Nachweisen zu können, dass das System sauber kalibriert war, wird bei der Justage ein Protokoll ausgedruckt. Spätestens im Falle eine Unfalles ist diese Protokoll Gold wert!
Und weiter zum fünften und letzten Teil unserer Serie zu den Fahrassistenzsystemen
Der Beweis – Fahrassistenzsysteme müssen justiert werden
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